Mittwoch, 25. April 2007

Die Beiden und der Regen.

Der Regen tropft unregelmäßig regelmäßig auf seinen kahlgeschorenen Kopf. Sein T-Shirt klebt sich stellenweise an seinem Körper fest, und langsam aber sicher, wird auch der etwas dickere Stoff seiner Hose, zu einer zweiten, nassen Haut.
Er steht, sein stoischer Blick läst den geübten Beobachter wissen, dass dieser Mensch nur von einer Sache überzeugt ist: ein Zie, das es zu erledigen gibt, ohne Kompromiss.
Die Regentropfen fallen in seinem Gesicht zu kleinen reisenden Bächen zusammen, die von seiner Stirn, quer über das Gesicht hinunter, zu seinem Kinn rasen. Trotz des vielen Wassers bleiben die Augen fixiert, sie scheinen keinen Millimeter vom Ziel abzuweichen. Es sind grüne Augen, die nicht mehr viel vom Menschsein erzählen können. Diese Augen haben zu viel gesehen, um einen funken menschlicher Illusion aufzuweisen. Der Blick ist stechend und exakt; aufgewachsen um zu Töten. Seine linke Hand greift langsam hinter seinen Rücken, dort umschließt sie den runden Griff eines einfachen, jedoch höchst effektiv wirkenden Messers. Als die Hand wieder nach vorne gleitet, zwinkern seine Augen zum ersten Mal, die Iris sucht die Gegend noch einmal kurz ab, bevor sich Beine und Körper in Bewegung setzen.
Der Gang, oder besser gesagt das Pirschen ist katzenartig, animalisch lüstern. Ein Fuß vor den anderen. Langsam schleicht er dem Mädchen nach, das sichtlich, durch die vorhergegangenen Strapazen erschöpft ist. Der gang wirkt müde und eigentlich stolpert sie mehr als das sie geht. Der Abstand zwischen den beiden wird immer kürzer, nur der Regen und die Dunkelheit scheint sie zu trennen. Stille, bis auf das prasseln des Regens und das Leise dahinstolpern des Mädchens ist nichts zu hören. Jetzt setzt er an. Zuerst wird er unmerklich schneller, ohne jedoch lauter zu werden, sprunghaft wirkt jetzt sein Laufen über das Pflaster, das genauso gut ausgetrockneter steppen Boden sein könnte. Der Abstand ist schon fast kein Abstand mehr, und kurz bevor er zum letzten Sprung ansetzt, dreht sie sich um. Mit dieser Drehung scheint die ganze Welt stehen zu bleiben; überhaupt scheint alles an Bewegung zu verlieren, die Zeit, die Materie, der Raum, alles fällt dieser Drehung zum Opfer, alles fällt.
Ihr Gesicht wirkt in dieser Steppenstadt wie eine Blume, die kurz davor ist, zu sterben. In ihrem Leiden will sie noch einmal ihre ganze Zartheit, ihr ganzes Wesen in den Himmel schreien, sich selbst den Ausdruck geben, der ihr zusteht. Stattdessen öffnet sie ihre Bluse und gibt ihre, schon nassen Brüste der Welt, und dem Regen frei. Aufgebend macht sie ihre Hose auf und läst sie hinunter, auf den glitzernden Boden gleiten, und erst jetzt fällt auf, dass sie keine Schuhe trug. Sie steigt einfach einen Schritt in seine Richtung. Jetzt steht sie ungefähr zwei Meter von ihm entfern, in einem unschuldig weisen Höschen, das halb durchsichtig, ebenfalls zur zweiten Haut geworden ist. Ihre Lippen öffnen sich, und leise trägt der Wind die Worte weg, die sagen: >>Es tut mir leid.<< Doch diese Worte werden nie zu seinen Ohren dringen, den im nächstem Augenblick rast er auf sie zu und reist sie zu Boden. Ihre schlaffen Hände, die kein Zeichen von Widerstand erkennen lassen, liegen ausgestreckt neben ihr. Er sitzt auf ihr und sein stoischer Blick kehrt wieder in sein Gesicht zurück. Bei diesem Anblick, entschließen seine Augen, jeglichen Ausdruck zu verlieren, ihre Lieder senken sich und ihr Kopf dreht sich auf die Seite. So liegen und sitzen sie da, der Regen macht aus ihnen eine Skulptur, einen Opferaltaar mitten in der Steppe aus Beton. Es vergehen die Minuten, ohne dass sich etwas bewegt, die Zeit verstreich, Stunde um Stunde, Jahr um Jahr; Ohne das der Regen schwinden würde. Keine Sonne wird jemals über diesen Beiden aufgehen, kein wärmendes Licht wird sie jemals trocknen. Sie und der Regen, das ist es und das wird es bleiben!

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