Längere Geschichten

Freitag, 4. August 2006

Das Loch

Und wieder einmal stand ich vor dem Loch. Ich hatte mich folgefressen und der Bauch fühlte sich schwer an; zu viel gegessen um gesund weiter zu leben. Das Loch, vor dem ich stand, war nicht einladend, ich konnte ihm nichts schönes abgewinnen. Wie wäre ich vorbei gegangen, lächelnd weiter schlendernd. Doch ich erfasse die Leiter, die in die Dunkelheit führt. Mein Schuh tritt auf die erste Sprosse und ein alt gewohnter Schmerz steigt in meiner Seele auf. Ich weis nicht, was mich veranlasste, den zweiten Fuß auf die nächste Sprosse zu setzen, doch ich tat es. So geht es weiter, immer eine Stufe tiefer.

Jetzt schaut nur noch mein Kopf hinaus, begutachtet die Felder, die Straßen, die Menschen, die auf ihnen gehen, noch sehe ich das Leben vor mir - doch nur mehr mit dem Kopfe; die Beine, der Rumpf, steht schon in der Dunkelheit. Ich frage mich: werde ich das Spiel der Wolken noch sehen können, wenn der Fuß auf feuchte Erde tritt.

Als ich so schaute, hörte ich bekannte Schritte. Hoffnung auf Rettung stieg in mir auf. Meine Hände, die sich an der Leiter hielten, wurden nervöser. Und umso näher die Schritte kamen, umso mehr wuchs meine Hoffnung heran, sie wuchs ins euphorische.

Ich wusste nicht vor was ich gerettet werden sollte, irgendwie war ich doch für das Loch bestimmt, doch ich hörte auf über mein wahres Schicksal nachzudenken und mein Arm schoss in die Höhe. Ich kniff die Augen zu, um nicht zu sehen ob die Entscheidung falsch oder richtig war. Eine halbe Sekunde später spürte ich die Hand, die zu den bekannten Schritten gehörte, sie packten zu, und schon war ich heraus! Das Schicksal hatte entschieden, jetzt konnte ich die Augen wieder öffnen. So leicht ging es und doch hatte ich so eine Angst davor.
Ich wollte mich sogleich bei meinem Retter bedanken, doch ich kam nicht dazu. Eine neue Welt tat sich vor meinen Augen auf. Ich konnte Farben Schmecken, Töne sehen – das leben erfasste mich – und so torkelte ich lebenstrunken neben meinem Freunde her. Wir genossen die Farben, die Menschen, wir rochen förmlich die Liebe die in der Luft lag. Es war ein Fest, so schön, das mir die Worte fehlen.

Nächsten Tag, wachte ich in der alt gewohnten Umgebung auf. Das Bett, stand dort, wo es immer stand, und auch sonst stand alles am richtigem Platz. Es ging mir ausgezeichnet. Noch voller Freude ging ich hinaus, genoss den Nachklang, des vorhergegangenen Festes und beschloss auf und durch die Straßen zu gehen. Ich konnte mich an den kleinsten Kleinigkeiten erfreuen! Als ich so ging, spazierte ich an einer Auslage vorbei, ich sah wunderschöne Töpfe, bemalt mit den Schönsten Farben und mit Mustern, die nur einem Herzen, voller Freude entspringen konnten. Ich ging in das Geschäft hinein, der Verkäufer, ein Mann mittleren Alters, schlichtete gerade ein neues Regal mit seinen Wahren ein. Ich ging auf ihn zu und wollte meine Begeisterung mitteilen, wollte ihm sagen wie schön ich seine Arbeit fände, doch er schaute mich nur mit verständnislosen Augen an. Ich versuchte es ihm verständlich zu machen, ich versuchte ihm, mit Worten, die Schönheit zu zeigen, doch es hatte keinen Sinn, er blieb verständnislos.
Leicht bedrückt, über die ungeteilte Bewunderung, ging ich wieder auf die Straße; und da passierte etwas wunderliches, die Auslage, die ich noch vor ein paar Minuten so in mein Herz geschlossen hatte, erschien mir etwas grauer. Ich wusste nicht genau was anders wahr. Es fehlte Etwas.
In Gedanken versunken ging ich weiter. Nach ein paar Ecken, kam mir eine hübsche Frau entgegen. Ich grüßte, mit einem schelmischen Lächeln und möglichst freundlich, doch sie schaute mich nur mit leerem Blicke an. Und wieder passierte das Selbe wie vorhin, alles wurde um eine Nuance farbloser. In diesem Moment bekam ich Angst – große Angst. Ich hatte Angst, dass mit jedem Menschen, auf den ich traf, die Welt blasser werden würde. Vielleicht war ich aber auch noch in dem Loch, bin gefallen und dabei in Ohnmacht geflogen und träumte jetzt. Nein das ist das Leben, oder nicht (?) Vielleicht hab ich nur das Leben gesehen und bin damit alleine (?)
Jetzt steh ich da - und habe Hoffnung!

Anthropologie
Eingetippt
Gedanken
Kleine Geschichten
Längere Geschichten
Schöne Geselschaft
Visuelles
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren