Dienstag, 22. Juli 2008

Ein Tag am Meer

Die Frauen liegen wie tot neben ihren gaffenden Kindern, da stört es nicht wenn das Bier schon warm den Hals entlang, durch die Kehle, in die Eingeweide rinnt. Was Zählt ist das Ergebnis, denkt sich der Mann und so kehrt er unfreiwillig in das Leben zurück, aus dem er eigentlich entfliehen wollte. Wie tote Tiere gammeln die Menschen, fad und kraftlos, ihrem Ende entgegen. Die Sonne verbrennt ihre Gedanken, das Bier löscht den Brand und übrig bleibt, nicht Asche, sondern die Karikatur eines menschlichen Leibes: Die Arbeit darf unterbrochen werden, der Sklave, der keiner ist (was ist man, wenn man sich selbst zum Meister seiner selbst erklärt, ohne es jemals zu wissen), hat Freigang. Es ist Urlaubszeit
Die Zeit heiligt die Mittel und die Mittel die Zeit. Endlich darf das bittere Dasein dem süßen Nichtstun weichen, um das Sein, sein zu lassen. Bier, Sonne, Sonne und Bier, das ist der Stoff in dem Träume versengt werden können.

Die aufgedunsenen Körper strahlen die Abneigung gegenüber ihrem Leben förmlich ab, wie eine unbekannte Strahlung warnen sie alle, die noch nicht im dunklen Sog ihrer Seele gefangen sind, sie warnen vor den unbestimmbaren Qualen, die keiner Merkt, die wie kleine andauernde Nadelstiche die Haut durchdringen und so unbemerkt einen allumfassenden Schmerz ausläsen, den man, da man ihn nicht lokalisieren kann, wieder vergisst, der aber im Hintergrund unentwegt zum Verfall führt.
Doch niemand kümmert dies, die Kinder pissen in den Sand, die Mütter lösen Kreuzworträtsel, die Väter trinken Bier. Und das alles in den unterschiedlichsten Abwandlungen, die doch nicht an der Eintönigkeit und der Sicherheit des immer andauernden Untergangs zweifeln lassen.

Die Massaker, die in mir, durch diese Auswüchse der menschlichen Rasse aufblitzten, bewegt sich zwischen Scherz und Wahn, zwischen Mitleid und Abneigung und endet gelegentlich im Ekel, der das Gefühl von Brechreiz hervorruft und mich im tiefen meines Herzens zweifeln lässt, oder, wollte man es treffender beschreiben, zusätzliche Fäulnis in das todbringende Gemisch von Substanzen leert, das mir immer weiter und tiefer vom Leben in den Rachen gestopft wurde. Wie die Gänse, denen Trichter in den Schnabel gesteckt werden um Futter in einem direkten Anschluss in die Verdauung zu pumpen, um die Leber, die uns wohlschmeckende Gänseleberpastete unfreiwillig spendet, zu mästen (ich sehe die Tiere in ihrem ewigen Schmerz, zusammengepfercht in ihren Folterkammern, wartend auf Leid und unbarmherzigem banalen Schmerz; das erschreckende an diesen Bildern ist, daß sie nicht die Hoffnung auf das Sterben haben, da sie nicht wissen, daß sie sterben werden, sie kennen nur das Leid, von Anbeginn bis zum Moment). Vielleicht lechze ich danach, diesen Schmerz in mich aufzunehmen, vielleicht bin ich aber einfach nur zu schwach ihn von mir fernzuhalten. Ich fühle mich wie ein unbeholfenes Kind, das den Schutz der Eltern verloren hat, und so, nur durch Schmerz und Leid genährt, immer größer geworden ist, bis alle glaubten ich sei Erwachsen, und dabei nur die Hülle sehen konnten. Ein hilfloses, umherirrendes Kind, ein alter Mann, niemals erkannt, niemals geliebt, weil es nicht versteht zu atmen. Vielleicht ist es auch die Suche nach etwas größerem, nach der – so naiv peinlich es auch klingen mag – der allumfassenden Liebe, welche, so scheint es mir, jede Seele verloren hat, um sie zu suchen. Ob jemals irgendjemand fündig geworden ist oder fündig sein wird, wissen wir nicht.

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