Donnerstag, 16. Juli 2009

Stufe um Stufe

Stufe um Stufe eilte er aufwärts. Er hatte eine kurze, braune Hose an, ein weißes Hemd und seine Schuhe entsprachen der üblichen Mischung: Sport und Freizeitschuh. Wo er herkam wissen wir nicht und ist auch nicht so wichtig, da es in dieser Geschichte viel mehr darum geht, wohin dieser Mann gegangen ist. Als er im zweiten Stockwerk angekommen war, verlangsamte er seinen Schritt, er ging zu dem einzigen Finster, in dem kleinem Stiegenhaus, öffnete es und steckte seinen Kopf soweit hinaus, dass er zuerst nach unten und dann nach oben schauen konnte, dann zog er ihn wieder, mit seinem Körper, in das Stiegenhaus zurück. Er drehte sich zu den Stufen, die in die oberen Stockwerke führten.

>Die Mutter hat immer so viel Mühe gezeigt, sie wollte wohl nur das Glück. Und die Freunde, die waren da, warum weiss ich nicht genau... wir hatten oft spaß. Die Frau, von der ich nie wusste ob ich sie liebte, ist weg und ich, ich bin allein, verdammt und verlassen. Wie wird es wohl sein ohne mich; die Welt wird weiter ihren Lauf nehmen, die Sonne wird auf und wir untergehen. Die Wärme wird die Kälte ablösen und umgekehrt. Der Wind wird die Stille bemerkbar machen - Man hört nichts bis auf die Blätter, die im Winde rauschen - die Bäche werden weiter fliesen... ach der ganze Dreck wird zugrundegehen, Klimawandel, menschliche Dummheit, kosmische Fügung, Krieg, was weis der Teufel, der ganze verfickte abgrundtiefe Ekel wird endlich stillstehen und das einzige was sich noch drehen wird, wird ein toter Planet sein, irgendwo, in irgendeinem Universum. Die Fernsehgeräte werden endlich keine Zuschauer haben, die Unterhaltung wird sich selbst genügen müssen.<


Er setzte wieder an, seinen Weg weiterzugehen. Er übersprang nun immer eine Stiege und ohne es zu merken wurde er gegen ende hin schneller. Als er im siebten Stockwerk angelangt war, war sein Atmen nah am Keuchen. Aber diese Äußerlichkeiten interessierten ihn nicht mehr, er fühlte sich außerhalb seiner Selbst, sich selbst überlegen und konnte den Kleinigkeiten, die das Leben so mit sich brachte, keine Aufmerksamkeit schenken.

>Ich lag Krank im Bett und meine Mutter kümmerte sich, sie suchte in ihren Büchern Medikamente, braute Tee und brachte mir Decken um mich zu wärmen. Die Sonne, die die Landschaft preisgab, schien nur für mich, und ich liebkoste sie mit meinen Augen. All dieser theatralische Fuck wird endlich abfallen und die Existenz wird dorthin geführt werden, wohin sie gehört.<


Der Mann brach zusammen. Er kauerte zuerst, um sich gleich darauf auf dem Boden zu wälzen, es sah so aus, als hätte er körperliche Schmerzen, er wand sich wie ein Vergiftetes Tier, er litt sichtlich. Er schloss die Augen und blieb ausgestreckt am Boden liegen.

>Der Hund, wird er wissen, dass ich weg bin. Wird er mich vermissen. Wird er es vermissen so verstanden zu werden, wie ich ihn verstand. Wir liebten uns, zumindest liebte ich ihn. Ich wollte immer einen Hund und dann bekam ich ihn auf einmal, vollkommen unerwartet, sie legten in mir in der Nacht ins Bett und ich wachte auf und hatte ein verängstigtes Wollknäuel vor mir. Ich hatte einen Freund, einen richtigen, der groß und Stark werden würde, mit dem ich ein Leben teilen konnte, ein bedingungsloses Lebewesen an meiner Seite. Wird er wissen, dass ich gegangen bin?<

Der Mann blieb noch eine weile in seiner Stellung liegen um abrupt aufzuspringen. Er stand ganz still, schlug sich ein paar mal mit der Faust auf den Kopf, stand wieder still und lief dann weitere acht Stockwerke hinauf. Im fünfzehnten Stockwerk blieb er wieder stehen. Wie vorhin ging er zu dem Fenster und wiederholte, seinen Blick, zuerst nach unten dann nach oben. Er zog den Kopf wieder in das Stiegenhaus. Obwohl er viel mehr gelaufen war als vorhin, schien sein Atem tief beruhigt zu sein. Überhaupt ging nun ein Gefühl von ihm aus, das man allgemein als entspannt ausdrücken könnte. Er stand ganz still, atmete ein und aus, um sich wieder mit seiner Faust auf den Kopf zu schlagen. Zuerst nur zwei mal, um dann wieder kurzzeitig still zu stehen um wieder, diesmal aber wesentlich heftiger als vorhin, weiter mit seiner Faust gegen den Kopf zu schlafen, er schlug sich so heftig, das er irgendwann in die Hocke gehen musste um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er hockte und sobald er nicht mehr schwankte stand wieder er auf. Er ging zur Wand und begann dort seinen Kopf gegen diese zu schlagen. Dies tat er zwei mal, danach viel er hin, und blieb liegen. Nach einer Weile stand er wieder auf. Er ging zum schon offenen Fenster, blieb kurz davor stehen, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

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