Sonntag, 20. Dezember 2009

Die Badewanne

Soll ich sagen was ich denke? Soll ich wirklich verbalisieren, sozusagen den Prozess in Laute zerstückeln, die ein Großteil der Lebewesen auf Erden nicht einmal verstehen würde? Das Kind schreit, weil es etwas will, ich würde schreien, weil ich nicht weis was ich will. Die empfundene Realität würde durch die Sprache entäußert werden, um in einem Gespräch zu landen, in das ich selbst eingetaucht bin und bliebe folglich ohne Konsequenz. Ich will das verdeutlichen: Stellen sie sich vor, sie steigen in die Badewanne und das Wasser weigert sich, trotz ihres Eindringens, zu steigen. Sie strampeln aber nichts passiert.
Um das Unmögliche durch die Wiederholung auszulöschen, steigen sie wieder aus der Wanne, klettern den Rand der Selbigen – auch das gestaltet sich schwierig, nicht weil es naß und rutschig ist, sondern wegen des eigenartigen Zustands, der durch die vorausgegangene Lüge der Realität Einzug in ihr Bewußtsein gehalten hat – sie stehen also am Rand, mit der einen Hand stützen sie sich an der Wand des Badezimmers und unter ihnen der können sie den Trog voller Wasser sehen, während sie in die Knie gehen, fassen sie ihren ganzen Mut zusammen, strengen Körper und Geist vor dem großen Sprung an. Diese soll ihnen ja wieder das Recht über ihre physische Präsenz beweisen – letztendlich springen sie hoch und lassen sich mit dem Gesäß voran in das Wasser fallen und kurz bevor sie sich den Kopf an der Badewannenkante auseinanderschlagen, müssen sie leider begreifen, dass das Wasser sie in keinster Weise bemerkt hat. Sie liegen Tod in der Badewanne, und der Wasserstand nahm keine Kenntnis von ihnen.

Unter diesen Voraussetzungen muss man sich fragen, ob es lohnend ist, dieses Wagnis der Verbalisierung einzugehen. Ich könnte schneller Tod in einem selbst geschaufelten Grab landen als es mir lieb ist – und ich frage sie, wer will das schon? Auf der anderen Seite ist dieser Druck von Innen da, Es ist das Bedürfnis feststellen zu wollen, ich will es greifbar machen, was mir den Kopf zermatert. Ich will feststellen, dass ich nicht weiß, was ich will und ich will, dass diese Sorge ernst genommen wird, dass sie überhaupt gehört wird, ich will den Wasserstand verändert, ich will Bedeutung erhalten, ich will nicht übersehen werden, ich will Augen und Ohren auf mir, ich will teilhaben, auch ohne zu wissen was oder wer ich bin, ohne zu wissen, was oder wie ich was will.

Hergott und dann immer diese Kuhaugen, für die sich jede Kuh schämen würde. Dieses vollkommene Versagen, das zur Folge hat, dass Schauspieler der Welt, sich selbst zum Publikum dekretieren. Die Folge: Müdes klatschen zwischen Gähnem und Spinnweben, die sich zwischen tropfendem Speichel aus Mündern und Nasen, spannen. Nein es ist vielleicht noch extremer: Der Mensch ist zum Schauer geworden. Ich zweifle an seiner Fähigkeit einer Gesamtwahrnehmung. Ich befürchte er hat sich selbst zergliedert. Der Zuschauer ist nicht mehr Ein sondern Viele geworden. Augen, Ohren, getrennt aus Vorsichtsmaßnahme. Bloß nichts Verbinden das zur Teilnahme bewegen könnte. Im Konsum liegt keine Sünde. Was tu ich schon, ich nehme nur, denkt sich das zerstückelte Etwas, das es wagt, sich Mensch zu nennen.

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