Dienstag, 25. November 2008

Kinship - Geschichte

Ich habe diese "Arbeit" für eine Note geschrieben, soll heißen: Ich hab sie innerhalb von 8 Stunden geschrieben, um 2 Uhr früh war ich fertig, soll heißen: Die arbeit bietet keinen genauen Überblick über das Thema "Kinship" aber hilft vielleicht dabei einen ersten Überblick zu bekommen. Anmerkungen sind erwünscht.

Einleitung:

Kinship wird heute von der Anthropologie als kulturelles Konstrukt gesehen, welches auf Abstammung (Deszendenz) und Heirat (affinale Beziehung) aufbaut. Es ist, so denke ich, nicht mehr der Mittelpunkt der Disziplin, aber Kinship ist wohl zu einem methodologischen Werkzeug geworden, das bei unterschiedlichsten Fragestellungen benutzt werden sollte. und sei es nur, um die vorausgegangenen Entwicklungen einer gegenwärtigen Situation zu verstehen.

Für diese Entwicklung brauchte die Disziplin Anthropologie ihre Zeit. Über die Frage, wann und wo sie begonnen hat läst sich bestimmt streiten. Viele sind jedoch der Meinung, dass die Victorianische Zeit die Wiege ist, in der „Kinship“ ihren Anfang nahm. Vielleicht nicht zuletzt, weil dies eine Zeit war, in der man zusehen konnte, wie die eigene Gesellschaft einen Zusammenbruch erlag, alte Regeln aufgehoben und neue geschaffen wurden. Auch war die Aufklärung in das Denken der Eliten gedrungen.
Vielleicht trug die Kombination aus verlorenem Glauben, dass heißt Unsicherheit, und das ständig weiter akkumulierenden Wissen, das sich anhäufte, zu einem Bedürfnis, das danach verlangte zu wissen, was eigentlich die eigene Natur sei. Ich würde nicht wagen zu behaupten, dass dies die Gründe für das Interesse für die Untersuchung von Verwandtschaftssystemen waren. Aber ich könnte mir vorstellen, dass dies die Gründe waren, warum eine so herzhafte Diskussion um sie entstand. Immerhin wurde durch neue Informationen, die man von anderen Völkern bekam das eigene Weltbild auf den Kopf gestellt. Nicht, dass man das öffentlich zugegeben hätte, oder auch nur für sich selbst zugeben wollte, aber es war einfach interessant zu wissen, warum man diesen „Negern“ und „Indianern“ überlegen war. Oder auch, warum man im Recht war, wenn man gegen die Obrigkeit anging und die Gesellschaft ändern wollte (Marx hatte unter anderem die Schifften von Morgen studiert und sie für seine Theorien verwendet). Diese Dinge betrafen bestimmt das ganze Fach Anthropologie und dadurch auch Kinship.

Auch ging ein Gespenst in Europa um: Der Evolutionismus. Dieser von Darwin geprägte Begriff wurde von vielen Gelehrten verwandelt und zu einem unilinearen Evolutionismus gemacht. Dieser geht davon aus, dass sich jede menschliche Gesellschaft durch bestimmte Stadien entlang Entwickelt, an dessen Ende natürlich die eigene Gesellschaft, das heißt die Zivilisation steht. Darwins Evolutionismus, den er in seinem Werk „On the Origin of Species“ (1859) formulierte, sagte nämlich etwas anderes. Laut Darwin bedeutete Evolutionismus die Veränderung bzw. die Anpassung von Lebewesen an bestimmte Habitate und Lebensumstände. Er sprach nie von linearen, vorgegebenen Entwicklung.
Nachdem jedes Volk, das Militärisch und Wirtschaftlich unterlegen war, als primitiv angesehen wurde, glaubten die Gelehrte, dass sie durch deren Erforschung in ihre eigene Vergangenheit schauen könnten.
Im folgendem will ich versuchen, die wichtigsten Wegbereiter von dem heute verwendeten Begriff „Kinship“ vorzustellen.

Personen

L. H. M Maine (1822 – 1888), ein Jurist, hat eines der ersten Werke geschrieben, das Verwandtschafssysteme zum zentralem Thema hat. „Ancient Low“ wurde 1861 veröffentlicht. Main vertrat die Meinung, dass jede Gesellschaft an eine unilineare Evolution gebunden ist. Er nannte dieses Prinzip: „from Status to contract“. Jenes bedeutet, grob gesagt, dass jede Gesellschaft zuerst durch Familie und Abstammung organisiert ist, um in weitere Folge, durch Gesetze und Regeln, dem einzelnem Individuum die Möglichkeit gibt, unabhängig von Familie und Abstammung, in seiner Gesellschaft zu handeln. Erst der Status „contract“ ermöglicht dem Individuum wirkliche Freiheit. Diese Annahme erinnert stark an die Theorie des Gesellschafsvertrages, die von Jean-Jacques Rousseau im 18 Jahrhundert geprägt wurde. Nur das Main nicht wie Rousseau an den edlen Wilden, in dessen Gesellschaft alle gleich waren, glaubte. Main vertrat lieber das Prinzip des allumfassenden Patriarchats und vielleicht ist dies auch der Grund, warum er sieben Jahre lang als Kolonialbeamter nach Indien ging, vielleicht wurde ihm ja sein Großbritannien zu „aufgeschlossen“. Wie auch immer es gewesen war, er kehrte wieder zurück und lehrte an der Universität Oxford und Cambridge.

Ein Schweizer Jurist war anderer Meinung: J.J Bachofen (1815-1877). In seinem Werk „Das Mutterrecht“, welches ebenfalls 1861 erschien, beschreibt er die Entwicklung von einer, ursprünglich durch Frauen „regierten“ Gesellschaf (Matriarchat) zu einer von Männer regierten (Patriarchat). Er sah dies als notwendige und gute Entwicklung. Ironischerweise wurde seine Theorie von der feministischen Strömungen aufgenommen und zur eigenen Argumentation verwendet.

McLenan (1827 – 1981) Der Jurist prägte den Begriff der Exogamie und ging ebenfalls, gleich wie Bachofen, von einem ursprünglichen Matriarchat aus, ignorierte aber den Selbigen.

Morgen (1818-1881) war ebenfalls ein Jurist. Seine Werke „Systems of Caonsanguinity and Affinityx of the Human Family“ (1871) und „Ancient Society“ (1877) werden wohl am häufigsten Zitiert, wenn es um die „wirklichen“ Anfänge der Kinshipforschung geht. Er betrieb Feldforschung bei den Irokesen und fand dabei heraus, dass ihre Gesellschaft auf Matrilinealität (Nur Mütter werden in die Deszendenz aufgenommen) aufbaut. Er formulierte ein evolutionistisches drei Stufen Modell, welches besagt, dass sich Gesellschaften von der Wildheit zur Barbarei und dann zur Zivilisation entwickeln.
Weiters prägte er die Begriffe klasivikatorisch (nach Morgen Primitiv) und deskriptiv (nach Morgen zivilisiert). Klasivikatorisch bezieht sich auf Begriffe der Verwandtschaftsterminologie, es bedeut, dass keine Unterschiede zwischen linearen und kollateralen Verwandten gemacht wird. In der Praxis bedeutet dies, dass z.B der FB ebenfalls als Vater bezeichnet wird. Deskriptive Systeme unterscheiden diese Verwandten voneinander.
Er fand auch heraus, dass andere Gesellschaften, das gleiche Verwandtschaftssystem hatten, wie die Irokesen. Durch diese Erkenntnis glaubte er – über die Untersuchung von Kinshipsystemen – Beweise zu finden, dass die Ureinwohner von Nordamerika, von Ostasien auf den Kontinent gelangt waren. Diese Idee inspirierte ihn zu weiteren Forschungen von Kinshipsystemen bei unterschiedlichsten Völkern. Diese mündeten in ausführlichen komparativen Studien.

Als nächstes folgte W.H.R. Rivers (1864 – 1922). Jener war nicht nur Arzt und Psychologe sondern auch Teil der „Torres Straits Expedition“, auf der er eine neue Methode für die Beforschung von Verwandtschaft entwickelte. Die genealogische Methode ist das bis heute Verwendete Modell – zumindest in ihren Grundzügen. Es geht im Prinzip darum, die Position des Egos in einer Gesellschaft festzustellen. Rivers beschreibt diese Methode in seinem Werk „Notes and Queries on Anthropology“ (1912). Rivers meint auch, dass seine Methode in Situationen gut geeignet ist, wenn die Sprachfähigkeiten des Anthropologen noch zu wünschen übrig lassen. Seine Methode wurde unter anderem von Robin Fox und Alan Bernard weiterentwickelt. Sie findet heute in vielen Bereichen Anwendung, die nicht direkt mit Anthropologie in Verbindung stehen. Zum Beispiel bei der Untersuchung von ADS Ausbreitung in Afrika.
Die bekanntesten Schüler von Rivers waren Redcliff-Braun und Malinowski. Jene wandten sich aber von den diffusionistischen Ideen ihres Mentors ab und führten den Funktionalismus in die Anglo-Sächsische Anthropologie ein.

Erst nach dem 2 Weltkrieg kam frischer Wind in der Verwandtschaftsforschung auf. Das neue Zentrum der Forschung war nicht mehr Europa bzw. England sondern Amerika. Die Europäische Rettung für die „alten Theorie“ kam von Lévi-Strauss. Jener entwickelte seine Ideen aber ebenfalls zu einem beträchtlichen Teil in den USA, wird aber zu dem frankophonem Raum gerechnet. In seinem Buch „The Elementary Structures of Kinship“ (1949) legt er besonderes Augenmerk auf den Frauentausch und somit auch auf Affinalbeziehungen (Jene sind verwandtschaftlichen Beziehungen, die nicht auf Blutsverwandtschaft gründen).

Weiteres wurde erst nach dem zweitem Weltkrieg bilaterale Deszendenzsystem (Jene Verwandtschaftssysteme die sowohl die matrilineale- und patrilineale Abstammung einbeziehen) wirklich untersucht und beachtet. Auch wurden den Affinalbeziehungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Zwei Figuren, die sich nach dem zweiten Weltkrieg in Amerika mit Verwandtschaft auseinandersetzten waren J. P Murdock und A. Kröber. Murdock gab einen ethnographischen Atlas heraus, in dem er Kulturareale beschreibt. Weiters führte er 9 neue Dimensionen in die Grundverwandtschafsbeziehungen ein. Kröber beschäftigte sich mit der semantischen Analyse von Verwandtschafsbegriffen.

David Schneider (1918 – 1995) führte die Kinshipforschung in die Postmoderne. Zuerst als Rebell angesehen, wurde er zu einer wichtigen Person im Fach. Schneider geht davon aus, dass man im Grunde überhaupt nichts über Verwandtschaftssysteme aussagen kann, da jede Betrachtung immer subjektiv und aus dem eigenem Kontext herauswächst. Seine Verknüpfung von symbolischer Anthropologie und Kinship wird in seinem 1968 erschienenen Werk lesbar („American Kinship: A Cultural Account“).
Eine Weitere Entwicklung stellt der feministische Ansatz da. Jener wurde vor allem von Sylvia Yanagisako und Jane Collier vertreten und tritt dafür ein, das Themen von Gender und Kinship gemeinsam Untersucht werden.

Ausblicke


Wie in der Einleitung erwähnt, ist Kinship zu einem wichtigen Werkzeug der anthropologischen Forschung geworden. Dank der Entwicklung der verschiedenen Ansätze ist nun ein Kanon an Theorien entstanden, der viele weitere Forschungen zulässt und in Kontext setzt. Ich denke auch, dass anhand der Wissenschaftsgeschichte, besonders in diesem Bereich, viel über unsere eigene Gesellschaft gelernt werden kann und somit ebenfalls zu einer Aufklärung beiträgt, die Simplifizierungen, welcher Art auch immer, in Zukunft vermeidet.


Literatur:


Barnard A. 2000:
History and Theory in Anthropology Cambridge

Barnard A., Spencer J. (Hg.) 2002:
Encyclopedia of social and cultural anthropology, London, New York.

Eriksen, T. H. 2001
Small Places, Large Issues: An introduktion to Social and
Cultural Anthropology. Chippenham and Eastbourne.

Sowie: Vorlesungsunterlagen und Skripten.

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