Donnerstag, 23. Juli 2009

Die Mutter

Das Bügelbrett stand endlich dort, wo es stehen sollte. Dieses alte Ding klappte ständig zusammen, obwohl es stehen sollte. Mit ein paar zusätzlichen Befestigungen schaffte es Maria aber immer, dass es doch irgendwie stehen blieb. Die kleine Wohnung, in der sie seit vier Jahren wohnte, roch nach feuchter Wäsche und nach altem Eintopf.
Maria legte ein T-shirt eines Kleinkindes auf das Bügelbrett, nahm das Bügeleisen in die Hand und begann routinierte Handbewegungen auszuführen. Während sie dies tat, dachte sie an den kleinen Franzisco, der irgendwo am Gang spielte und in einer halben Stunde essen wollte. Der gewohnte Hass stieg wieder langsam in ihr Bewusstsein. Sie wusste zwar, dass es ihre heilige Pflicht war dieses Kind, ihre Leibesfrucht, zu lieben, doch immer wenn sie ihren Gedanken freien Lauf lassen konnte, fühlte sie einen tiefen Hass gegen Franzisco.
Sie konnte einfach nicht verstehen, wieso sie diese Gefühle gegenüber ihrem Kind hatte. Sie war zwar vor der Geburt nicht, wie viele ihrer Freundinnen, von Babys oder Kleinkindern entzückt gewesen, aber während ihrer Schwangerschaft empfand sie durchaus ein glückliches Gefühl, wenn sie daran dachte ein eigenes Kind groß zu ziehen. Alle waren damals so glücklich, die Verwandten gratulierten ihr und ihre Freundinnen wahren auf ihr Glück eifersüchtig. Die Großeltern freuten sich, noch mehr Enkel zu haben und ihr Mann sprach ihr Mut für die Zukunft zu. Jetzt wahren ihre Eltern geschieden, ihre Großeltern tot, ihr Mann hatte sie verlassen und sie stand in einer Wohnung am Stadtrand von Florenz, umgeben von fremden Menschen. Es gab zwar ein paar Nachbarn, mit denen sie hin und wieder ein paar Worte wechselte, aber richtig ins Gespräch kamen sie nie. Alleine mit einem Kind zu wohnen, ohne Vater, ohne Familie schien auf die Menschen befremdend zu wirken.
Als sie mit Bügeln fertig war, die Kleidung zusammengelegt worden war und ihr Rücken durchgeschwitzt, stand Franzisco vor ihr und schaute sie mit seinen großen Kinderaugen an. >Hast du schon Hunger kleiner?< fragte sie. Er nickte und wollte ihre Hand ergreifen, Maria befreite sich jedoch und wand unauffällig ihre Hand aus seiner. Sie ging in die Küche und begann das Essen anzurichten.

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